Die Windmühle in Aschaffenburg-Damm

 

Infotafel “Aumühlturm” des archäologischen Spessart-ProjektesInfotafel “Aumühlturm” des archäologischen Spessart-Projektes (PDF)

Aschaffenburg am 01.07.1998: Auf dem Gelände der Firma SCA Packaging Industriepapier GmbH zerstört (mit Erlaubnis) ein Bagger Bayerns letzte historische Windmühle. Lange war die tatsächliche Bedeutung des Bauwerks unbekannt geblieben. Unbestritten erinnerte sie  mit inzwischen zweifelsfrei geklärter Funktion an einen Sieg preußischer Truppen am 14.07.1866 über die dort positionierte österreichisch-hessische Artillerie, es war also ein Denkmal von lokalem militär- und frühindustriellgeschichtlichem Wert.

In den Jahren 1977 bis 1995 hatten sich das Landesamt für Denkmalpflege, Stadtrat und Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Aschaffenburg ständig, doch leider nur ohne Erfolg, um eine Sanierung und dauerhafte Erhaltung des Turmes bemüht.
Gemäß einem Beschluss des Umwelt- und Verwaltungssenates des Stadtrats lehnte die Stadt Aschaffenburg förmlich mit Bescheid vom 14.01.1997 eine beantragte Erlaubnis zum Abriss des “Windmühlenturms” ab.
Auf Widerspruch der Firma SCA Packaging Industriepapier GmbH erteilte die Regierung von Unterfranken mit ausführlich begründetem Bescheid vom 22.01.1998 die Abbrucherlaubnis.
Hiervon überrascht, jedoch zum Handeln bereit, verfassten wir eine fundierte Stellungnahme. Am 16.02.1998 missbilligte der Stadtrat den nunmehr genehmigten Abriss des Turmes. Nach verschiedenen Gesprächen kam es am 12.03.1998 zu einem Treffen und einer Vereinbarung zwischen Vertretern der Firma, der Stadt und unsers Vereins: Kein Abriss bis Ende Juni 1998. Es galt nun bald den wirklichen Wert des Bauwerks herauszufinden und darzulegen.
Woher aber den Nachweis nehmen, dass die Windmühle, deren Errichtung bekanntlich am 18.05.1854 genehmigt worden war, tatsächlich auch so gebaut worden ist?
Den Fachleuten war kein Dokument bekannt, fleißiges Suchen war angesagt. Die Aschaffenburger Zeitung vom 28.10.1854 half schließlich weiter. Sie enthielt die Nachricht, dass der orkanartige Sturm in der Nacht vom 25. auf den 26. d. Mts. 3 Flügel der schönen neuen Windmühle auf der Aumühle abgerissen und weit weg geschleudert hatte. Bayern ist nun nicht gerade als Land der Windmühlen bekannt. Welche waren sonst noch vorhanden?
Über Anfragen an Denkmalschutzbehörden, Heimatpfleger und Windmühlenexperten konnten wir in der zweiten Junihälfte 1998 feststellen, dass es sich um die letzte verbliebene historische Windmühle in unserem Freistaat handelte.
Aumüller Valentin Stenger, wirtschaftlich denkend, vielfältig innovativ, geradezu ein Windkraftpionier in Bayern, hatte sie durchaus zu rechten Zeit, aber leider am falschen Ort errichtet. Seltenheitswert bekam sie zusätzlich dadurch, dass bisher keine sonstige Windmühle bekannt geworden ist, die man zu einer Luftschutzbefehlsstelle umgebaut hat (1936).
Kein Wunder, dass die befragten Experten sie uns gegenüber folgendermaßen einschätzten: Ein bedeutendes Denkmal, von außerordentlicher Rarität, unbedingt erhaltenswürdig. Die Unterstützungsbereitschaft nahm täglich zu, Rettung schien in Sichtweite, doch das Monatsende nahte. Ein weiterer Abbruchaufschub war weder vereinbart noch angeordnet. Und der Bagger wartete schon.
Aschaffenburg am 01.07.1998, vormittags: Ein Brief des Bayerischen Ministerpräsidenten ist angekommen. Darin ist unter anderem zu lesen, dass sich Bayern als Kunst- und Kulturstaat verstehe und daher die Aufgabe, erhaltenswerte Zeugnisse der Vergangenheit für die kommenden Generationen zu bewahren, sehr ernst nehme. Damit die vom Verein zusammengetragenen Erkenntnisse sowie die Forderungen nach Erhalt beziehungsweise Dokumentierung der Bausubstanz dem zuständigen Kultusministerium bekannt und von diesem geprüft werden, seien die Unterlagen von ihm dem Herrn Staatsminister Zehetmair zugeleitet wurden.
Durch den Bagger waren schon vollendete Tatsachen geschaffen. Aschaffenburg hatte das "Gefecht" um die auch militärgeschichtlich bedeutende Windmühle verloren.

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